2. Alte Helden und neue Geschichten

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Brandenburger Tor, dessen Reliefs im Durchgang Szenen der Herkules-Sage zeigen
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Urheber: Olga Ernst

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brandenburg_Gate_showing_Reliefs_of_Heracles_mythology.jpg

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Sogar am berĂŒhmten Brandenburger Tor in Berlin finden sich in den DurchgĂ€ngen Bilder einer alten Geschichte ĂŒber den Helden Herkules. 

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Im vorherigen Kapitel hast du viele Helden kennengelernt. Sie alle sind Personen und Figuren aus unserer Zeit.
Aber ErzÀhlungen von Helden gibt es schon viel lÀnger! Wirf mit mir einen Blick auf neue und sehr alte Heldengeschichten, die auch heute noch erzÀhlt werden.
Warum das wohl so ist?
 

2.1 Heldengeschichten frĂŒherer Zeiten

Die Geschichte von Herkules ist sehr alt – mehrere tausend Jahre sogar! Sie wird immer noch erzĂ€hlt. 

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Aufgabe: Ein Held wird geboren

Lies oder höre die den Text unten an. 
Woran kannst du erkennen, dass das Baby Herkules etwas Besonderes ist?
Welche Eigenschaft zeigt jetzt schon, dass er ein Held sein wird?

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Lesetext: Herkules, der stÀrkste Mann der Welt

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© Digitale Lernwelten GmbH

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Es war ein herrlicher Sommertag im Palastgarten des alten griechischen Königs Amphitrion. Ein kleines Baby, nur drei Monate alt, lag nackt in einer Wiege. Das Baby hieß Herkules. Seine Mutter war die schöne Königin Alkmene. 
Eine Amme musste auf das Baby aufpassen. Aber in der SommerwÀrme war sie eingeschlafen. Sie schnarchte leise neben der Wiege. 

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Vom Berg Olymp, wo die griechischen Götter wohnen, schaute die Göttin Hera zur Erde. Nur um zu sehen, wie die alten Griechen an so einem herrlichen Tag dort unten faulenzten. Das war ihre LieblingsbeschÀftigung.

Und dann, auf einmal, sah sie das Kind.

Ihr Blick erstarrte: Sie erkannte in seinen GesichtszĂŒgen ihren Gatten Zeus.
Sie wusste es sofort: Das Baby da unten war kein gewöhnliches Kind. Das war ein Kind von Zeus. Er war ihr wieder untreu gewesen. Schwarzer Zorn erfĂŒllte sie. Und weil fĂŒr Götter ein Menschenleben nur so viel bedeutete wie fĂŒr uns das Leben einer Fliege, sagte sie sich: „Das Kind muss sterben!“

„Kommt her, meine lieben Schlangen“, rief sie, „kommt her!“
Sie hatte zwei Riesenschlangen als Dienerinnen.
Die Schlangen kamen eifrig angekrochen: „Hier sind wir. Was dĂŒrfen wir fĂŒr euch tun, unsere Göttin und Gebieterin?“

„Hebt eure Köpfe und schaut zur Erde, in die Richtung, die ich euch zeige. Sehr ihr den Garten des Königs Amphitrion?“
„Jawohl, wir sehen ihn. Ein wunderschöner Garten.“
„Sehr ihr das nackte Baby in der Wiege?“
„Jawohl, wir sehen es. Ein wunderschönes Baby.“
„Ein hĂ€ssliches Baby“, zischte Hera.
Die Schlangen zischten ihr sofort nach:
„Jawohl, ein hĂ€ssliches Baby.“
„Es ist so hĂ€sslich, dass es nicht leben darf. Es ist eine Schande fĂŒr die Welt.“
„Jawohl, es ist eine Schande fĂŒr die Welt.“
„Eure Aufgabe ist es, diesen kleinen Schandfleck dort unten verschwinden zu lassen. Fresst ihn auf, dass nichts von ihm ĂŒbrig bleibt. Ich bin sicher, er wird euch gut schmecken.“
„Wir beeilen uns, Göttin Hera. Wir werden Euren Auftrag wie immer schnellstens erfĂŒllen.“
Die Schlangen krochen eilig vom Olymp zur Erde. Sie schlichen in den königlichen Garten und kletterten in die Wiege.
„Jetzt schnappen wir uns das Kind. Ich wickele mich um seinen Hals“, zischte die erste.
„Ich wickele mich um seine Beine“, zischte die zweite.
„Wir zerquetschen es. Und dann werden wir es uns brĂŒderlich teilen.“


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Was die Schlangen nicht ahnten: Zeus hatte das Baby Herkules mit ungeheuren KrĂ€ften beschenkt. Von der KĂ€lte der Schlangenkörper erwachte das Kind, packte mit seinen kleinen HĂ€nden die beiden Schlangen gleichzeitig am Hals und drĂŒckte zu.
„Hilfe! Er bricht mir das Genick!“
„Mir auch! Mir auch! Hera, hilf uns! Hilfe, Göttin Hera!“
Mehr konnten die Schlangen nicht mehr sagen. Sie waren auf der Stelle tot.
Jetzt erwachte die Amme.
„Zwei Schlangen!“, rief sie erschrocken. „Wache, Hilfe, zwei Schlangen wollen das Baby verschlingen!“
Aus dem Palast eilte die Mutter, die schöne Alkmene, in den Garten. Wachen mit gezogenen Schwertern stĂŒrmten herbei.
Dann blieben sie alle vor der Wiege stehen. Keiner traute seinen Augen.
Das Baby lachte und hob die toten Schlangen hoch, eine in seiner linken Hand und eine in seiner rechten.

Jetzt wusste jeder: Ein Wunder war geschehen. Und allen war klar: Dieses Kind wĂŒrde eines Tages die grĂ¶ĂŸten Heldentaten der Welt vollbringen – grĂ¶ĂŸere, als die Welt je zuvor gesehen hatte.

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Urheber: Digitale Lernwelten GmbH

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Herkules und seine Heldentaten. Neu erzĂ€hlt von Dimiter Inkiow. Ellermann im Dressler Verlag 2016, Hamburg. S. 8–11.

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Zum Weiterlesen: Die fĂŒnfte Tat des Herkules

Herkules hat einen berĂŒhmten Vater: den obersten Gott Zeus. Er wĂ€chst aber nicht auf dem Götterberg Olymp auf, sondern bei den Menschen, denn auch er ist ein Sterblicher wie seine Mutter Alkmene. Aber er hat ĂŒbermenschliche KrĂ€fte. Darum wurde ihm prophezeit, dass er ein großer Herrscher werden kann, wenn er zwölf Jahre lang dem bösen König Eurystheus dient und zwölf schwierige Aufgaben erfĂŒllt. Gelingt ihm das, erhĂ€lt er den Herrscherthron von Eurystheus.
Man kann sich vorstellen, dass Eurystheus alles Mögliche versucht, um Herkules Aufgaben zu stellen, die er nicht erfĂŒllen kann. Die ersten vier Aufgaben hat der Göttersohn allerdings schon geschafft. Von der fĂŒnften Tat handelt die folgende Geschichte.


Die fĂŒnfte Tat des Herkules
Der Augiasstall


„Ich werde wahnsinnig“, seufzte König Eurystheus. „Sein Ruhm wĂ€chst und wĂ€chst und wĂ€chst. Meine Diener haben mir berichtet, dass das Volk Herkules schon jetzt zum König haben will, auch ohne dass er alle zwölf Aufgaben erfĂŒllt hat.“
Die Königin sagte: „Wir mĂŒssen ihm eine Aufgabe stellen, die seinen Ruhm schmĂ€lert. Eine Aufgabe, die eines Helden unwĂŒrdig ist. Die ihn lĂ€cherlich macht!“

„Ja, aber was fĂŒr eine?“
„Ich weiß etwas! Unser Vetter Augias, der König von Elis, hat, wie du weißt, gewaltige Viehherden. Jeden Abend werden sie in einen Stall getrieben. Dieser Stall ist seit vielen Jahren nicht ausgemistet worden. Dort hat sich eine ungeheure Menge Mist aufgehĂ€uft. Schick Herkules zum König Augias mit der Aufgabe, an einem Tag den Stall sauber zu machen. Das schaffen auch tausend Leute in einem Monat nicht.“
Eurystheus befahl Herkules zu sich.
„Hier ist ein Brief“, sagte er, „an meinen Vetter Augias in Elis. Überbringe ihm diesen Brief. Er wird dir dann deine nĂ€chste Aufgabe stellen.“
König Augias war sehr angetan, als er den Brief las. Er sah Herkules, der in seinem Löwenfell vor ihm stand, und sagte:
„Mein Vetter König Eurystheus schreibt mir, dass du meinen Stall ausmisten willst, und das an einem Tag. Ich muss dir sagen, junger Mann: Das wĂŒrden nicht tausend, auch nicht zehntausend Leute in einem Monat schaffen. Ich habe den großen Fehler gemacht, dass ich den Stall nicht von Anfang an regelmĂ€ĂŸig ausmisten ließ. Der Grund war der: Meine Herden sind gewaltig, mein Königreich ist klein. Und ich habe viel zu wenige Diener. Ich habe die Arbeit des Ausmistens immer von einem Tag auf den anderen verschoben. So sammelte sich der Mist mehr und mehr, höher und höher. In unserer Sprache ist schon das neue Wort “Augiasstall„ entstanden. Ich schĂ€me mich, wenn ich es höre. Aber was soll ich tun? Es ist zu spĂ€t! Es ist alles Mist! Es ist so viel Mist, dass keiner mehr den Stall auszumisten wagt. Wenn du das schaffst, gebe ich dir aus meiner Herde jede zehnte Kuh und jeden zehnten Stier. Aber ich meine, dass fĂŒr so einen edlen JĂŒngling wie dich das Ausmisten keine wĂŒrdige Arbeit ist.“
Herkules antwortete: „Ich werde deinen Stall ausmisten. Ich muss es tun.“
Der König sagte:
„Mistgabeln findest du im Hof. Nun ist natĂŒrlich auch die Frage: Wohin mit dem Mist? So viele Karren habe ich ja gar nicht, um den Mist wegzubringen.“
„König Augias, sei unbesorgt, ich brauche keine Karren.“
„Wie willst du den Mist aber wegtragen?“, wunderte sich Augias.
„Auf dem Weg hierher habe ich mich in der Gegend umgeschaut. Ich sah den Fluss, der in der NĂ€he des königlichen Stalles fließt. Nicht ich, sondern das schnell fließende Wasser wird den Mist wegtragen. Du kannst zugucken.“
Herkules ging zum Augiasstall hinĂŒber, der König hinter ihm. Mit mĂ€chtigen Griffen riss der Held die beiden Tore des Viehstalls auf. Mit einem Spaten grub er schnell einen Kanal, in den er den Gebirgsfluss umleitete. Er ließ ihn durch den Augiasstall fließen.
Der mĂ€chtige Wasserstrom spĂŒlte an einem Tag die ungeheuren Mistberge fort.
Noch am gleichen Abend sah der Augiasstall wie neu aus. Jetzt leitete Herkules den Fluss wieder in sein altes Bett zurĂŒck.
König Augias war so begeistert, dass er dem Herkules zum Lohn fĂŒr die Arbeit sofort ein FĂŒnftel seiner riesigen Viehherde gab, und zwar die besten Tiere.
„Ich hĂ€tte nie gedacht, dass so etwas möglich ist. Endlich wird man nicht mehr vom riesigen Misthaufen im Augiasstall reden“, freute er sich.
Der König tÀuschte sich aber gewaltig. Seit diesem Tag redete nicht nur Griechenland, sondern die ganze Welt vom Ausmisten des Augiasstalls.

Herkules und seine Heldentaten. Neu erzÀhlt von Dimiter Inkiow. Ellermann im Dressler Verlag Hamburg, 2016. S. 37-40.

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Urheber: Winston Chen

Unsplash

Unsplash.com - LizenzBYSA

2.2 Heldengeschichten unserer Zeit

Oben hast du gesehen, dass man Geschichten mit Filmen oder Texten erzÀhlen kann. Nun kommt noch eine dritte Form dazu: zum Anhören. 

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Jana und der moosgrĂŒne Drache

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© WDR Anna Palm

https://mundo.schule/?doc=record&id=BY-00195971&subjectSelector=&lrt=&context=&searchExpression=Heldengeschichten&page=1&order=relevance

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© Digitale Lernwelten GmbH

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Aufgabe: Was ist an Jana heldenhaft?

Welche Tat ist heldenhaft?

1. Trage hier ein, welche heldenhafte Tat Jana vollbracht hat.

2. Welche Eigenschaften hat Jana? Finde neun Adjektive, die zu ihr passen. 

3. Wie wird Jana zur Heldin?

WÀhle die beiden wichtigsten Eigenschaften aus, die Jana zur Heldin machen. ErklÀre, warum diese Eigenschaften heldenhaft sind.

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Aufgabe: Welche Eigenschaften zeigt Janas Verhalten?

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Hintergrund

Wie Janas Geschichte entstanden ist

Die Autorin der Geschichte heißt Anna Palm. Sie arbeitet beim Kinderradio des WDR (Westdeutscher Rundfunk) und hat Heldengeschichten fĂŒr ganz bestimmte Kinder geschrieben. Sie hat schwer kranke Kinder besucht und ihnen Fragen gestellt: Was sie gerne essen oder wohin sie am liebsten reisen möchten. Dann hat Frau Palm fĂŒr jedes Kind eine eigene Geschichte geschrieben, in der das Kind ein Held ist. 
Von Jana wissen wir, dass sie Krebs hatte und leider 2019 verstorben ist. Ihre Geschichte bleibt fĂŒr uns erhalten. 

Warum ist es eine gute Idee, dass jemand eine Heldengeschichte fĂŒr schwer kranke Kinder schreibt?
Überlege, wie das Leben eines kranken Kindes sein könnte. Warum können ihnen Geschichten, in denen sie Helden sind, helfen?

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Hast du Lust auf weitere Geschichten zum Anhören? Hier findest du die anderen Heldengeschichten.

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Urheber: Lina Trochez

Unsplash

PD

2.3 Eine Heldengeschichte als Geschenk

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Janas Geschichte war ein Geschenk an sie. FĂ€llt dir auch jemand ein, der sich ĂŒber eine persönliche Heldengeschichte freuen wĂŒrde?
Jetzt kannst du eine eigene Geschichte erfinden. Der Kasten unten hilft dir bei der Vorbereitung.

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Kleine Anleitung zum Geschichtenschreiben

Du möchtest eine Heldengeschichte schreiben? Wunderbar! Hier kommt eine Anleitung: 

  1. FĂŒr wen soll die Geschichte sein? Diese Person wird zum Helden in deiner Geschichte. Überlege: Was mag derjenige/diejenige gerne (Lieblingsessen, -orte, Hobbys)?
  2. Nimm etwas aus den Vorlieben und ĂŒberlege dir eine Geschichte dazu. Sie kann z. B. an dem Lieblingsort spielen. Das Wichtigste ist, welche Heldentat deine Figur vollbringt: Rettet sie jemanden? Löst sie ein Problem, das niemand zuvor geschafft hat? Verbessert sie die Welt?
    Du darfst dir fantastische Ereignisse ĂŒberlegen, aber Vorsicht: Bringe nicht zu viel Fantasie in die Geschichte, sonst können die Leser ihr nicht mehr folgen (wenn z. B. immer wieder magische Wesen auftauchen oder dauernd etwas Magisches passiert).
  3. Überlege dir, mit welchen Eigenschaften deine Heldenfigur ihre Tat vollbringt. 
  4. Überlege dir, in welcher Reihenfolge du die Geschichte erzĂ€hlen möchtest. Du musst das Problem gut erklĂ€ren, damit klar wird, wie groß die Tat deines Helden ist.
  5. Jetzt kann es ans Schreiben gehen. Viel Spaß beim Formulieren!
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Platz fĂŒr deine Geschichte

Hier kannst du deine Geschichte aufschreiben oder als Audio aufnehmen.Â