Ich habe mich gefragt, welche Spuren der mittelalterlichen StÀdte heute eigentlich noch zu sehen sind. Dabei kam mir der Gedanke, die Satellitenbilder zu nutzen, die es im Netz gibt. Es muss doch möglich sein, Spuren des Mittelalters aus der Luft zu erkennen!
2.1 Merkmale einer Stadt im Mittelalter
ZunĂ€chst einmal mĂŒssen wir mit unserer Vorstellung einer Stadt etwas aufrĂ€umen. Mittelalterliche StĂ€dte waren deutlich kleiner als heutige. Köln, im Mittelalter eine Weltstadt, hatte in ihrer BlĂŒte gerade einmal 40.000 Einwohner. Die meisten StĂ€dte des Mittelalters werden einige tausend Bewohner gehabt haben. UnabhĂ€ngig von ihrer GröĂe verfĂŒgten mittelalterliche StĂ€dte aber ĂŒber folgende Merkmale: einen Markt, eine zentrale Kirche, ein Rathaus und Stadtmauern.
Diagramm: Einwohnerzahlen in deutschen StÀdten um 1400
Aufgabe
- Vergleiche die Einwohnerzahlen aus dem Diagramm oben mit den heutigen Einwohnerzahlen dieser StÀdte.
- Bewerte die GröĂe von mittelalterlichen StĂ€dten mithilfe deiner Ergebnisse.
Der Markt
Der Markt war im Mittelalter der zentrale Schauplatz einer Stadt. Auf einem Markt wurden alle Waren des alltĂ€glichen Lebens gehandelt wie z. B. GemĂŒse, Fisch und Fleisch, Eisenwaren oder Textilien. Die Regeln fĂŒr den Handel wurden in einer Marktordnung festgelegt.
Daneben war der Markt der soziale Treffpunkt der Stadt, wo man sich traf und die neusten Nachrichten austauschte. Wichtige Ereignisse oder Regeln wurden dort durch lautes Rufen oder Vorlesen öffentlich gemacht, und öffentliche Bestrafungen wurden durchgefĂŒhrt. Nicht zufĂ€llig lagen wichtige stĂ€dtische GebĂ€ude wie die zentrale Kirche oder das Rathaus meist direkt am Marktplatz. Daneben reihten sich die prĂ€chtigen HĂ€user der reichsten Kaufleute und Handwerker.
Quelle
Markt- und Gewerbeordnung fĂŒr die Stadt Landshut (1256)
Quelle
Markt- und Gewerbeordnung fĂŒr die Stadt Landshut (1256)
- Wir verbieten, Schwerter und Dolche innerhalb der Stadt zu tragen. Und sooft Leute getroffen werden, die Schwerter tragen, sooft werden sie der Stadt 6 Schillinge und dem Richter 60 Pfennige zahlen.
- Wenn einer (der ein Schwert trÀgt) kein Geld besitzt, wird ihm die Hand abgeschlagen werden. (...)
- Wucherer, VorkĂ€ufer, Gesellschaften, die in der Volkssprache Einung heiĂen, verbieten wir unter Strafe von 5 Pfund und erklĂ€ren sie auĂerdem fĂŒr rechtlos.
- Wir verordnen, 2 1/2 Pfund Rindfleisch fĂŒr einen Schilling zu verkaufen und ebenso viel Hammelfleisch und drei Pfund Ziegenfleisch. Die Leute, die es anders machen, werden der Stadt 6 Schillinge und dem Richter 60 Pfennige zahlen. (...)
- Wir verordnen, dass kein Kauf auĂerhalb des öffentlichen Marktes stattfindet, was die Leute betrifft, die der Stadt Waren zufĂŒhren. (...)
- Wir verordnen, dass unsere BĂŒrger den Eimer Römerwein fĂŒr 5 Schillinge ausschenken, die Fremden aber fĂŒr ein halbes Pfund und 10 Pfennige. Den besten Frankenwein werden sie fĂŒr 75 Pfennige, den mittleren fĂŒr 55 Pfennige ausschenken. Wer zwei Weine zugleich ausschenkt oder mischt und wer das MaĂ nicht an den Tisch trĂ€gt, wird der Stadt 6 Schillinge und dem Richter 60 Pfennige zahlen. (...)
- Lotterbuben in jeder Art, fahrende SchĂŒler mit langem Haar halten wir fern. Die Leute, die sie ĂŒber eine Nacht hinaus beherbergen, verurteilen wir zu 1 Pfund.
Aufgabe
- Triff eine begrĂŒndete Vermutung zum sozialen Stand der abgebildeten Personen auf dem ersten Galeriebild in âMittelalterliche Marktszenenâ. Achte dabei auf die Waren und die Kleidung der Leute.
- Stell dir vor, du kommst im Jahre 1256 als HĂ€ndler nach Landshut, um dort deine Waren zu verkaufen. Worauf solltest du achten?
- Welche dieser Verordnungen gibt es heute noch (in Àhnlicher Form) und welche haben wir gar nicht mehr?
Das Rathaus
Im Mittelalter entwickelten sich die ersten RathĂ€user meist als Reaktion auf die Verleihung des Stadtrechts. Nachdem sich die BĂŒrger Rechte erkĂ€mpft hatten, wurde ein Ort benötigt, der diese neu gewonnenen Rechte reprĂ€sentierte und an dem diese Rechte auch ausgelebt werden konnten. Dabei wurden die RathĂ€user meist fĂŒr mehrere Zwecke genutzt: Sie dienten als Verwaltungssitz, GerichtssĂ€le waren in ihnen untergebracht und im Erdgeschoss wurde von Kaufleuten oftmals Handel betrieben. Viele RathĂ€user hatten einen Festsaal.
Die Kirche
Der Glaube an Gott und die Kirche waren im Mittelalter allgegenwĂ€rtig und bestimmten das Leben der Menschen. Dies zeigte sich auch in der Architektur der KirchengebĂ€ude. Die prĂ€chtigen Bauten sollten durch ihre GröĂe und ihre prachtvolle Ausstattung Demut und Ehrfurcht vor Gott erwecken. Gleichzeitig hoben GröĂe und Prunk die besondere Bedeutung der Kirche hervor. Auch die Position der Kirchenbauten im mittelalterlichen Stadtbild machte die Bedeutung der Kirche klar. So befand sich immer eine zentrale Kirche im Herzen der Stadt, beispielsweise am oder in der NĂ€he des Marktplatzes.
Die Mauern
Stadtmauern waren im Mittelalter ein wesentliches Merkmal der Stadtgrenze. Sie erfĂŒllten gleich mehrere Zwecke: Einerseits dienten sie als Schutz vor feindlichen ĂberfĂ€llen, andererseits zeigten sie die Grenze einer sozialen Gemeinschaft und eines Bezirkes, in dem bestimmte Rechte galten. DafĂŒr wurden die Stadtmauern meist so gebaut, dass ein Angreifer sie alleine nicht ĂŒberwinden konnte. Die Ein- und AusgĂ€nge aus der Stadt waren nur in bewachten DurchbrĂŒchen, den Stadttoren, möglich. Wie aufwendig und sicher eine Stadtmauer errichtet wurde, hing dabei vom verfĂŒgbaren Baumaterial und dem Vermögen einer Stadt ab.
2.2 Was ist heute aus der Luft zu sehen?
Am Beispiel der Stadt Freiberg lassen sich die oben genannten Merkmale gut aus der Luft entdecken. Dazu kannst du unten die interaktive Karte verwenden, am besten im Vollbildmodus (diesen stellst du ĂŒber die Doppelpfeile unten rechts in der interaktiven Karte ein).
Interaktive Karte: Spurensuche in Freiberg
Orientierung in einer Stadt im Mittelalter
Wenn wir heute in einer fremden Stadt etwas suchen, leitet uns das Handy treffsicher ans Ziel. Im Mittelalter war das natĂŒrlich anders, zumal die allermeisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten. Trotzdem konnten sie sich in StĂ€dten orientieren, sogar in fremden. Dazu erfassten sie die Stadt mit all ihren Sinnen und âlasenâ gewissermaĂen ihre Struktur. Sie fragten sich zum Beispiel:Â
- liegt mein Ziel in einem bestimmten VerhĂ€ltnis zum Zentrum, also zur Kirche und zum Markt?Â
- liegt es innerhalb, auĂerhalb oder entlang der Mauer?
- liegt es in einem bestimmten Viertel? Gibt es dort besondere GerĂ€usche oder GerĂŒche?
Aufgabe â Schnitzeljagd mit der Nase
Nun machst du eine Geruchsreise durch das mittelalterliche Freiberg. Finde heraus, wo du am Ende landest! Aber Achtung, diese Aufgabe hat es in sich und gelingt nur den allerfeinsten SpĂŒrnasen!
- Ăffne dazu die Karte von Freiberg auf OpenStreetMap.
- Du startest im SĂŒden der Stadtmauer, gleich am Kalkturm. Halte dich entlang der Mauer östlich, bis du nach Norden abbiegen kannst. Gehe also nach Norden bis zu einer StraĂe, wo es nach Tieren riecht, die fĂŒr ihren starken Geruch bekannt sind. Dort hĂ€ltst du dich rechts.
- Lasse einige Abzweigungen links liegen, bis ein noch ĂŒblerer Gestank als bisher deine Aufmerksamkeit erregt. In der Gasse, die du nimmst, hĂ€ngen ĂŒberall gegerbte TierhĂ€ute und Felle.
- Bereits nach kurzer Zeit geht eine weitere Gasse nach links ab, in der es klappert und scheppert. Dort gehst du hinein.
- Nach mehreren Kreuzungen erreichst du eine, von der aus du â in einer schnurgeraden Linie â bis hinauf zum Schloss sehen kannst. Dort biegst du in Richtung Norden ab.
- Schon an der nĂ€chsten Kreuzung stinkt es nach Alkohol. Zu deiner Linken hörst du bereits eine groĂe Menschenmenge, obwohl du sie wegen der HĂ€user noch nicht sehen kannst.Â
- Du biegst links ab und erreichst nach wenigen Metern dein Ziel, dass nun sĂŒdlich von dir liegt.
Wo bist du angekommen?