2. Wahrheit, Aufklärung, Lüge, Manipulation – Geschichte hat viele Gesichter

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Menschen erzählen Geschichten, um (sich) zu unterhalten, um sich über Traditionen bewusst zu werden oder um Geld zu verdienen. Sie tun es aber auch, um andere zu überzeugen und damit Einfluss auf sie zu gewinnen. Manche Menschen lügen und betrügen dabei nach Kräften. Sie nur daran interessiert, dass sich am Ende ihre Version einer Geschichte durchsetzt.
In diesem Kapitel werden wir erkunden, wie man solchen Lügen, Fakes und Verschwörungen auf die Schliche kommen kann. 

2.1 Die Konstantinische Schenkung – eine Lüge als Fundament des kirchlichen Machtanspruchs

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Darstellung der angeblichen Schenkung auf einem Fresko aus dem Jahre 1246.  Konstantin der Großen (rechts kniend) übergibt Papst Silvester I. (links sitzend) das Phrygium (kegelförmige Haube und Vorgänger der Tiara), den Baldachin und den Papstpalast.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantinische_Schenkung#/media/Datei:Sylvester_I_and_Constantine.jpg

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Fresko der angeblichen Konstantinischen Schenkung aus dem Jahr 1246 in einer Kapelle in Rom.

Im Europa des Mittelalters hatten die Päpste politische Macht. Sie wollten aber nicht irgendwelche Herrscher sein, sie wollten die wichtigsten Herrscher der Welt überhaupt sein. 

Um diese Macht zu erlangen, beriefen sie sich auf die sogenannte Konstantinische Schenkung. Angeblich hatte der christlich-römische Kaiser Konstantin den Päpsten im Jahr 315 in dieser Urkunde die Kontrolle über den Westteil des Römischen Reichs zugesprochen.

Dieses gefälschte Dokument nutzten die Päpste dazu, um allen, die an ihrer Autorität zweifelten, zu beweisen, dass sie die bedeutendsten Herrscher waren. Warum das so gut funktionierte? Die Menschen damals glaubten, dass Kaiser Stellvertreter Gottes auf Erden waren. Außerdem nahmen sie an, dass ein Dokument umso mehr Ansehen und Richtigkeit haben musste, je älter es war. Und ein Dokument von Kaiser Konstantin hielten sie für besonders würdig, weil er das Römische Reich zum Christentum gebracht hatte.

Die Konstantinische Schenkung besteht damit aus drei entscheidenden Komponenten, die die Kirche bewusst einsetzte:

  • Moralisches Urteil: Die Menschen sollen antiken kaiserlichen Urkunden mehr Autorität zugestehen als Ansichten der Gegenwart.
  • Tatsachenäußerung: Am 30. März 315 übertrug Kaiser Konstantin den Päpsten die Macht über den Westteil des Römischen Reichs. 
  • Praktische Anweisung: Die Menschen sollen der Autorität des Papstes gehorchen. 
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Aufgabe

  1. Entscheide, welcher der drei Teile der Geschichte der Konstantinischen Schenkung wissenschaftlich überprüft werden kann. Begründe deine Entscheidung.
  2. Recherchiere im Internet über den Beweis, dass die Urkunde gefälscht war. 
  3. Stelle deine Ergebnisse in einer Präsentation dar.
    Hinweise:
    - Nutze dafür ein dir zur Verfügung stehendes digitales Präsentationstool.
    - Achte darauf, die Präsentation kurz, prägnant, anschaulich und unterhaltsam zu gestalten. 


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Zusammenfassung

In diesem Video wird das Thema im Video zusammengefasst

Auf der Seite des MDR findest du ein Zusammenfassungsvideo.

2.2 Verschwörungserzählungen: Von Reptilien-Menschen, Corona-Leugnern, Medien-Kritikern und tatsächlichen Verschwörungen

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Ein Wahrheitsposter?

In der Geschichte der Menschheit wurden zahllose Gerüchte, Lügen und Halbwahrheiten verbreitet, mit denen sich Menschen eigene Vorteile sichern wollten. Nur manche davon erzielten nachhaltige Wirkungen und veränderten das Weltgeschehen. Die Wirkung solcher Manipulationen wird manchmal erst Jahrhunderte später sichtbar. 

Im Folgenden möchte ich zeigen, warum Erzählungen über Verschwörungen verbreitet werden, welche Wirkung sie erzielen können und wie man sie erkennen kann.  
Zunächst findest du aber wichtige Informationen zum Thema in den Textkästen. 

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Definition

Verschwörungserzählungen: Unterscheidung zwischen Hypothesen und Mythen

Eine sog. „Verschwörungstheorie“ erklärt ein Geschehen oder einen Zustand durch die Behauptung, es gäbe eine Verschwörung, die das Geschehen verursacht. Bei einer Verschwörung gehen oftmals einflussreiche oder mächtige Gruppen von Menschen planvoll im Geheimen vor. Sie versuchen damit etwas auf illegale Weise zu erreichen. 

Viele Forscher empfehlen, statt des Begriffs „Verschwörungstheorie“ die Begriffe „Verschwörungshypothese“ und „Verschwörungsmythos“ zu nutzen. Mit dieser Trennung kann man besser auf zwei unterschiedliche Prägungen eingehen:

Verschwörungshypothesen machen überprüfbare Aussagen über angenommene Verschwörungen, zum Beispiel die Watergate-Affäre von 1969–1974. Diese können tatsächlich bestätigt werden oder stellen sich aufgrund belegbarer Tatsachen als falsch heraus.

Verschwörungsmythen
treffen hingegen kaum oder gar nicht überprüfbare Aussagen, zum Beispiel die Behauptung, dass außerirdische Echsenmenschen die Welt kontrollieren.
Die Anhänger von Verschwörungsmythen weigern sich im Gegensatz zu Wissenschaftlern überprüfbare Bedingungen zu nennen, an denen sich entscheidet, ob eine Aussage bestätigt oder widerlegt werden kann. Gegenargumente und widersprechende Belege werden von den Anhängern der Mythen als bewusste Manipulation der Verschwörer und daher als Bestätigung ihres Mythos gewertet. Der Mythos kann damit für sie nicht widerlegt werden.

Florian Sochatzy, Digitale Lernwelten

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Darstellung

Warum glauben Menschen an Verschwörungsmythen?

Der Hang zu Verschwörungsmythen wird unterschiedlich interpretiert. Sie werden manchmal als Krisen-Anzeichen, manchmal als Paranoia (psychische Störungen mit Wahnvorstellungen) oder Projektionen gedeutet.

Projektionen dienen überforderten Menschen in belastenden Situationen zur Vereinfachung ihrer Gesamtsituation. Diese Vereinfachung führt dazu, dass Menschen wieder an die Durchschaubarkeit des eigenen Lebens glauben können und damit Selbstwirksamkeit erfahren können.

Verschwörungsmythen breiten sich also häufig dort aus, wo Menschen mit komplexen Sachverhalten konfrontiert sind, für die keine bewährten Erklärungsmuster greifen. Sie entspringen dem sehr menschlichen Bedürfnis nach Sinnzusammenhängen und einfachen Erklärungen.

Ausgangspunkt ist dabei oft eine berechtigte und kritische Haltung gegenüber Informationen oder Erklärungen in widersprechenden Quellen.

Häufig entstehen Verschwörungserzählungen im Umfeld beängstigender Themen, wie z. B. Krankheit, Krieg und wirtschaftlicher Krisen. Das Gefühl Wut ist für viele Menschen dabei leichter zu ertragen als das Gefühl Angst. Es ist damit leichter, Wut auf eine geheime Verschwörung zu verspüren als Angst vor einer undurchschaubaren, komplexen Gesamtlage.

Verschwörungserzählungen sind häufig radikale Gegenpositionen zu etabliertem Wissen.

Dabei zeigt sich das identitätsstiftende Potential dieser Erzählungen: gut gegen böse, wissend gegen unwissend, rechtschaffen gegen hinterlistig, oben gegen unten etc.

Zudem bieten Verschwörungserzählungen häufig die spannenderen Erklärungen und Geschichten für komplexe und damit auch anstrengende Themen. Das macht sie für gewisse Menschen interessanter und einfacher zu verbreiten (vgl. hierzu die Rolle der sozialen Medien in diesem Kapitel)

Der Glaube an Verschwörungserzählungen scheint bis zu einem gewissen Grad auch ein Persönlichkeitsmerkmal zu sein. Wer an einen Verschwörungsmythos glaubt, lässt sich auch von weiteren Verschwörungsmythen überzeugen.


Florian Sochatzy, Institut für digitales Lernen

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Methode

Checkliste Verschwörungsmythen

  1. Hinter der Verschwörung steht eine angebliche Elite, also Menschen mit vermeintlicher oder echter Macht (z. B. Politik, Wissenschaft, Wirtschaft). Dies können Geheimbünde sein oder auch Menschen, die offiziell an den Schalthebeln der Macht sitzen. Diese Elite verbirgt ihre wahren Motive und täuscht die Öffentlichkeit gezielt über ihre Absichten. Es kämpfen die mutigen Verschwörungstheoretiker-Davids gegen die Machtkrake Goliath.
  2. Der Verschwörungstheoretiker und seine Anhänger gehören zu einer kleinen Minderheit, die die Wahrheit besitzt. Nur er sieht klar, obwohl es offensichtlich sein soll. Doch die kleine Gruppe derjenigen, die die Verschwörung durchschaut hat, weiß, was auf uns zukommen wird, und will nun alle warnen. 
  3. Es werden Fragen aufgeworfen, ohne dass man wirklich Antworten hören will. Meist sind sie rhetorischer Natur, obwohl sie als echte Fragen daherkommen. Selbst eine Beantwortung einer solchen Frage hält die Verschwörungstheoretiker nicht davon ab, sie trotzdem immer wieder aufzuwerfen.
  4. Auch Fakten, die ganz klar objektiv falsch sind, werden trotzdem immer wieder als Argumente verwendet. 
  5. Auf Gegenargumente wird kaum eingegangen. Alles kanalisiert auf die Bestätigung des Verschwörungsmythos. Es findet keine Abwägung des Für und Wider statt. 
  6. Häufig ist der größte Widerspruch im Argument der Geheimhaltung (zentral für einen Verschwörungsmythos) selbst schon enthalten. Einerseits schaffen es die Verschwörer entgegen aller anderen Erfahrungen riesige Operationen geheim zu halten und gleichzeitig machen sie absolut stümperhafte Fehler, die nur der Verschwörungstheoretiker sofort sieht.
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Weitere Hintergründe und eine Zusammenstellung aktueller Verschwörungsmythen und Verschwörungshypothesen findest du auf der Seite der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen

2.3 Social Media als Brandbeschleuniger für Verschwörungen und Fakes

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Was verändert sich durch diese Art der Medien?

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https://www.tageskarte.io/gastronomie/detail/attila-hildmann-vom-vegan-koch-zum-reichsbuerger-in-drei-monaten.html

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Urheber: Screenshot / Telegram

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Urheber: Screenshot KenFM News/Facebook

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Urheber: Screenshot Tagesschau/Facebook

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Urheber: Screenshot Tagesschau/Facebook

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Aufgabe

  1. Analysiere mithilfe der Definition (Element 10) zu Verschwörungserzählungen die Social-Media-Posts 1-5. 
  2. Kategorisiere die Posts in „Verschwörungsmythen“, „Verschwörungshypothesen“ oder „weder – noch“. 
  3. Notiere deine Zuordnung in der Tabelle.   
  4. Begründe deine Zuordnung in der letzten Spalte. 
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In der interaktiven Grafik findest du Gründe dafür, dass sich Verschwörungsmythen in sozialen Netzwerken besonders gut verbreiten. Klicke auf die "?" um weitere Informationen zu erhalten.
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Aufgabe

  1. Stelle die Wechselwirkung zwischen sozialen Netzwerken und Verschwörungsmythen dar. 
  2. Beurteile diese Mechanismen.
  3. Entwickle mögliche Maßnahmen gegen diese Mechanismen und stelle sie in einem kurzen Text dar.
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Aufgabe

Wir sind ans Ende des Moduls gelangt. Nun kannst du zeigen, was du gelernt hast. Ich bin davon überzeugt, dass man am meisten lernt, wenn man sein Wissen anwendet. Los geht's!

  1. Entwickle deinen eigenen Verschwörungsmythos.
    Überlege dir dafür
    - geeignete Themen 
    - eine Argumentation, die falsch, aber für manche Menschen überzeugend sein könnte;
    - Medien, die du für deine Erzählung nutzen willst;
    - Kanäle zur medialen Verbreitung.
  2. Bereite eine Präsentation zu dem gewählten Mythos vor.
  3. Präsentiere den Mythos deinen Mitschülern in einem Vortrag. 
  4. Reflektiert gemeinsam über die Gefühle, die ihr bei eurer bewusst falschen Erzählung hattet.