1 Von der geneigten Ebene zum freien Fall

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1 Von der geneigten Ebene zum freien Fall

Unsere Welt heute wĂ€re eine ganz andere, wenn die großen Wissenschaftler ihre Erkenntnisse nicht strukturiert niedergeschrieben hĂ€tten. Das Experimentierprotokoll hat sich dabei als Mittel bewĂ€hrt. Wie damals Galileo Galilei werden wir die geneigte Ebene nutzen, um die gleichmĂ€ĂŸig beschleunigte Bewegung nĂ€her zu verstehen.

Nach Abschluss dieses Abschnittes sollst du ...

  • ... reflektiert entscheiden können, welche experimentellen Daten auf geeignete Weise erhoben werden mĂŒssen, um einen Bewegungsablauf nĂ€her zu untersuchen.
  • ... die Bewegungsgleichungen fĂŒr die gleichmĂ€ĂŸig beschleunigte Bewegung sicher beherrschen und die kinematischen GrĂ¶ĂŸen in Diagrammen deuten können.
  • ... die gleichmĂ€ĂŸig beschleunigte Bewegung von der gleichförmigen Bewegung abgrenzen können.

1.1 Die Hypothese

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Zur Untersuchung der gleichmĂ€ĂŸig beschleunigten Bewegung soll eine geneigte Ebene verwendet werden, auf deren oberen Ende eine Kugel platziert und losgelassen wird. In festen AbstĂ€nden sind an der geneigten Ebene Glöckchen angebracht, die die Bewegung „hörbar“ machen.

Überlege dir, was du bei dem Experiment erwarten wĂŒrdest, und ordne die Hypothesen richtig zu.

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1.2 Aufbau und Materialliste

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In der nachfolgenden Animation siehst du einen Versuchsaufbau, der an jenen von Galileo Galilei angelehnt wurde. Im Abstand von 0,25 s hörst du ein Glöckchen lÀuten.

Klicke auf „Start“ und bringe die Kugel zum Rollen.

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10° 30° 50°
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Urheber: Digitale Lernwelten GmbH

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10° 30° 50°
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Dieser Versuch lĂ€sst sich natĂŒrlich auch in der RealitĂ€t nachbauen. Ziehe alle Materialien nach links, die du fĂŒr den Versuch benötigen wĂŒrdest, lege die ĂŒbrigen rechts ab.

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1.3 VersuchsdurchfĂŒhrung

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FĂŒr den Anfang ist es hilfreich, wenn die Kugel möglichst langsam die geneigte Ebene hinunterrollt. Stelle deshalb die geneigte Ebene auf 10° ein. 

Wenn du die Glöckchen klingeln hörst, hast du alles richtig gemacht. Immer wenn das akustische Signal ertönt, wird die Position der Kugel durch einen Spurpunkt markiert.

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Aufgabe

Ermittle den Weg s (Abstand vom Startpunkt), um die vergangene Zeit den einzelnen Positionen (abgekĂŒrzt mit „Pos.“; Start ist Pos. 0) zuordnen zu können. Trage die Wertepaare in nachfolgende Tabelle ein.

Messwerte fĂŒr die geneigte Ebene im Winkel von 10°

1.4 Versuchsauswertung

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Du solltest in der Tabelle erkennen, dass die Änderung des Weges in gleichbleibenden Zeitabschnitten immer grĂ¶ĂŸer wird. Hier zeigt sich bereits ein sehr markanter Unterschied der gleichmĂ€ĂŸig beschleunigten Bewegung zur gleichförmigen Bewegung, bei der die Änderung des Weges in gleichbleibenden Zeitabschnitten gleich war. 

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Aufgabe

Wie du bereits weißt, ist es oft hilfreich, die Messwerte in einem Diagramm darzustellen. Trage deine Messwerte in nachfolgendes Diagramm ein. Ein Messpunkt wird erstellt, indem du an der entsprechenden Stelle ins Diagramm klickst. 

Hinweis: Im Diagramm werden die Punkte mit Großbuchstaben beschrieben, d. h., Pos. 0 = A, Pos. 1 = B usw.

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Dir fĂ€llt bestimmt auf, dass es hier nicht möglich ist, die Messpunkte durch eine Gerade zu verbinden. Es handelt sich nicht um eine gleichförmige Bewegung, d. h., in gleichen Zeitabschnitten werden nicht dieselben Wege zurĂŒckgelegt.


Wir halten fest:

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GegenĂŒberstellung s(t)-Diagramm gleichförmige und beschleunigte Bewegung

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Im obigen s(t)-Diagramm fĂŒr die rollende Kugel auf der 10° geneigten Ebene kann man erkennen, dass der Weg quadratisch von der Zeit t abhĂ€ngt, d. h., s~t2, wenn es sich um eine gleichmĂ€ĂŸig beschleunigte Bewegung handelt. 

Unklar ist noch die ProportionalitĂ€tskonstante k, da gilt: s(t) = k * tÂČ. 

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ProportionalitÀtskonstante k

Ermittle mithilfe des Schiebereglers im Diagramm die zum Versuch gehörige ProportionalitĂ€tskonstante k und ĂŒberlege dir deren Einheit.

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Den Wert fĂŒr k kannst du in deiner obigen Messwerttabelle rechnerisch nachprĂŒfen, indem du fĂŒr jede Position den Quotienten s/t2 berechnest. Es sollte sich dort annĂ€hernd jeweils ein Ă€hnlicher Wert ergeben. 

Wichtig: k entspricht dabei nicht der wirkenden Beschleunigung! Es gilt: a = 2 * k. (Hintergrundwissen siehe nachfolgendes „fĂŒr Experten“.)

Allgemein gilt: s(t) = 0,5 * a * tÂČ

Zur Erinnerung:
Bei der gleichförmigen Bewegung gilt s(t) = v * t.

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FĂŒr Experten: Herleitung a = g * sin(α)

FĂŒr Experten:

Mithilfe einer KrĂ€ftezerlegung kann man sich an der geneigten Ebene herleiten, dass gilt: a = g * sin(α). Dazu betrachtet man das in der Abbildung dargestellte rechtwinklige Dreieck. Mithilfe trigonometrischer Beziehungen und der Tatsache, dass fĂŒr den Betrag einer Kraft F = m * a gilt, folgt durch Gleichsetzen mit FH obige Formel.

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KrÀftezerlegung an der schiefen Ebene

ÜberprĂŒfung

PrĂŒfe mithilfe des Taschenrechners nach, ob du mit dieser Formel auch den doppelten Wert von k erhĂ€ltst.

NÀheres wirst du in Jahrgangsstufe 10 lernen. Vorab kannst du dich auf KrÀfte an der schiefen Ebene (rechnerisch) | LEIFIphysik informieren.

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Wir wissen nun, wie sich der Weg in AbhĂ€ngigkeit von der Zeit bei einer gleichmĂ€ĂŸig beschleunigten Bewegung im Gegensatz zur gleichförmigen Bewegung entwickelt. Offen ist noch, wie das dazugehörige v(t)-Diagramm aussieht. 

In der nachfolgenden Animation wird die Augenblicksgeschwindigkeit der Kugel an den einzelnen Positionen angezeigt. 

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10° 30° 50°
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10° 30° 50°
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Aufgabe

Erstelle ein v(t)-Diagramm fĂŒr die um 10° geneigte Ebene.

Wir halten fest:

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GegenĂŒberstellung v(t)-Diagramm gleichförmige und beschleunigte Bewegung

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Wir haben in diesem Abschnitt die gleichmĂ€ĂŸig beschleunigte Bewegung betrachtet, bei der gilt: a(t) = konst. Der Graph im a(t)-Diagramm wĂ€re somit eine Parallele zur t-Achse.

Mithilfe des a(t)- bzw. v(t)-Diagramm lassen sich noch mehr Aussagen als ĂŒber die zeitliche VerĂ€nderung der Messwerte der Beschleunigung und Geschwindigkeit treffen. 

Verwende nachfolgende GeoGebra-Datei, um diesem „Geheimnis“ auf die Spur zu kommen.

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Aufgabe

In der Datei werden gleiche Objekte mit gleichen Farben dargestellt. Finde die zusammengehörigen Objekte. 

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Aufgabe

Nimm VerĂ€nderungen vor, indem du den Schieberegler betĂ€tigst, und beobachte die VerĂ€nderungen in den Diagrammen und Gleichungen. Wenn du alles verstanden hast, mĂŒsstest du erklĂ€ren können, warum sich Änderungen immer nur „nach rechts“ (d. h. vom linken ĂŒber das mittlere zum rechten Diagramm), aber nie „nach links“ auswirken. 

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FĂŒr Experten

VerÀnderung der Startwerte

In der Datei können auch die Startwerte geĂ€ndert werden. Zum Beispiel kannst du ein Objekt betrachten, das bereits eine Anfangsgeschwindigkeit besitzt. Beschreibe, welche Auswirkungen diese Änderungen haben.

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Aufgabe

Erhöhe den Winkel auf 30° bzw. 50° in obigen Animationen und trage die Messreihen in ein (!) s(t)- bzw. ein (!) v(t)-Diagramm ein. 

Vergleiche die Ausgleichskurven und halte deine Beobachtungen fest. 

Ein grafikfÀhiger Taschenrechner, GeoGebra oder ein Tabellenkalkulationsprogramm erleichtern dir hier die Arbeit.

1.5 Galileo Galilei und die geneigte Ebene

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Urheber: Domenico Tintoretto

https://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Galilei#/media/Datei:Galileo_Galilei_2.jpg

PD

Aber warum hat Galileo Galilei sich so intensiv der geneigten Ebene gewidmet?

Sein eigentliches Ziel war es, den freien Fall nĂ€her zu verstehen. Leider hatte er nicht die geeigneten MessgerĂ€te, um die Zeiten zwischen festgelegten Wegabschnitten exakt bestimmen zu können. Der Vorgang war einfach zu schnell. Durch die Umsetzung mit der geneigte Ebene konnte er sich dem freien Fall durch Erhöhung des Winkels stĂŒckweise nĂ€hern. Was fĂŒr ein genialer Gedanke von ihm. Als Taktgeber und Markierung der einzelnen Stellen auf der schiefen Ebene verwendet er damals seinen eigenen Pulsschlag.

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Der Laborbericht von Galileo Galilei

Beschreibung der Anordnung und Ergebnis:
„Wir verwendeten eine etwa 12 Ellen lange, eine halbe Elle breite und drei Finger breite dicke Planke oder Bohle. An ihrer Schmalseite wurde eine etwa einen Finger breite, vollkommen gerade Rinne eingeschnitten. Diese glĂ€tteten und polierten wir und kleideten sie mit möglichst glattem, gut poliertem Pergament aus. In der Rinne ließen wir eine harte, glatte und vollkommen runde Bronzekugel rollen. Wir lagerten das eine Ende ein bis zwei Ellen höher als das andere und ließen, wie ich soeben sagte, entlang der jetzt schief liegenden Rinne die Kugel rollen.
Die zum Abrollen benötigte Zeit stellten wir mithilfe einer noch zu schildernden Methode fest. Diesen Versuch wiederholten wir mehrere Male, um die Messgenauigkeit der Zeit soweit zu erhöhen, dass die Abweichungen zwischen je zwei Beobachtungen nie grĂ¶ĂŸer als ein Zehntel Pulsschlag waren. Als dieses vollbracht war und wir uns von der ZuverlĂ€ssigkeit der Methode ĂŒberzeugt hatten, ließen wir die Kugel nur den vierten Teil der GesamtlĂ€nge der Rinne durchlaufen; als wir die hierfĂŒr nötige Zeitspanne maßen, stellten wir fest, dass sie genau die HĂ€lfte von der im ersten Versuch gemessenen betrug.
Dann untersuchten wir andere Entfernungen und verglichen die zum Durchlaufen der gesamten LĂ€nge der Rinne benötigte Zeit mit der fĂŒr die HĂ€lfte, zwei Drittel, drei Viertel oder einen beliebigen Bruchteil benötigten. Bei diesen Versuchen, die wir alle hundertmal wiederholten, erhielten wir stets das Ergebnis, dass sich die zurĂŒckgelegten Strecken wie die Quadrate der Zeiten verhielten*. Das traf fĂŒr alle Neigungen der Ebene, d. h. der Rinne zu, ĂŒber die wir die Kugel rollen ließen.
Auch beobachteten wir, dass die Laufzeiten fĂŒr verschiedene Neigungen der Ebene genau in dem VerhĂ€ltnis zueinander standen, das der Autor dafĂŒr abgeleitet und vorhergesagt hatte ...“

*Hieraus konnte man schließen, dass eine konstant beschleunigte Bewegung vorlag.