3. Erweiterung für die Sekundarstufe II: Materialien

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Hauswand mit bunten Farben über denen steht:
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Urheber: Nicole Baster

Unsplash

PD

Leben als Persönlichkeit in Gemeinschaft

Die Persönlichkeit des modernen Menschen

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Erklärung

Was ist Individualität, Individualismus, Egoismus?

Im Wort Individualität steckt der lateinische Begriff für Gesamtheit/Ungeteiltheit. Bezogen auf Menschen meint es, dass der Mensch als etwas Eigenes und Vollständiges betrachtet wird. Menschen sind als Einzelne mit all ihren Fähigkeiten, Erfahrungen und Rechten sozusagen die Grundbausteine aller Gemeinschaften, auch der Gesellschaft überhaupt. Nicht die Gruppe entscheidet, wer ein Mensch ist, sondern der Mensch an sich ist wertvoll. 

Der Begriff Individualismus meint etwas anderes. Wer individualistisch denkt, stellt das Individuum immer und bei jeder Frage in das Zentrum seiner Überlegungen und seiner Handlungen. Das kann ein Problem werden, wenn man dabei immer nur daran denkt, was für die Bedürfnisse des Einzelnen wichtig ist.

In Egoismus steckt das lateinische Wort ego (ich). Der Begriff meint eine Haltung, bei der man immer nur an sich denkt. Einer egoistischen Person geht es um die schnelle Befriedigung der eigenen Interessen und die Lösung der eigenen Probleme. Egoisten denken nicht an die Interessen anderer, und es fällt ihnen schwer, sich überhaupt für andere Menschen zu interessieren, ihnen zu helfen und die eigenen Probleme mal zurückzustellen.

Marcus Ventzke

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Darstellung

Der Mensch als Homo optionis: Immer mehr Möglichkeiten, immer mehr Entscheidungsnotwendigkeiten durch Individualisierung

Diese durch sozialen Aufstieg sowie Milieu- und Lebensstildiversifizierung erfolgte Freisetzung des Einzelnen aus engen Sollens- und Wollens-Vorgaben seiner Lebensführung bedeutet: Jeder muss immer mehr Fragen selbst entscheiden, anstatt einfach das zu tun, was 'man' in seinem Milieu in entsprechenden Situationen so tut. Das reicht von vergleichsweise belanglosen Fragen wie der, wo man Urlaub macht, bis zu weittragenden Entscheidungen der Berufswahl oder der Gestaltung einer Lebenspartnerschaft. Etwas pathetisch heißt es über diese Stufe der Individualisierung:
„Der Mensch wird (im radikalisierten Sinne Sartres) zur Wahl seiner Möglichkeiten, zum Homo optionis. Leben, Tod, Geschlecht, Körperlichkeit, Identität, Religion, Ehe, Elternschaft, soziale Bindungen – alles wird sozusagen bis ins Kleingedruckte hinein entscheidbar, muss, einmal zu Optionen zerschellt, entschieden werden.“ 


Homo: Mensch
Option: Möglichkeit

3

Darstellung

Über die Chancen und Probleme des modernen Lebens

Das Leben wird immer vielgestaltiger. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn man sich die Entwicklung Sachsens in den letzten 30 Jahren ansieht. Es gibt eine schier unüberschaubare Zahl an Zusammenschlüssen und Gruppen für jeden denkbaren Zweck: Kultur, Politik, Bildung, Wissenschaft, Sport, Geschichte, Architektur, Verkehr, Wirtschaft, Sexualität, Umweltschutz usw. (Vgl. dazu etwa die Auflistung von Vereinen in Sachsen bei Wikipedia; Stichworte: Vereine, Sachsen.)
Die Bürgerinnen und Bürger können zu jedem Thema ihre eigenen Vorstellungen zu realisieren versuchen. Gleichzeitig wurden ihnen auch immer mehr Entscheidungen der Lebensabsicherung und Lebensplanung in die eigenen Hände gelegt: Sie entscheiden heute etwa viel stärker selbst über ihre soziale Absicherung bei Kranken- und Rentenversicherung als noch vor wenigen Jahren. Sie gründen Schulen für ihre und die Kinder ihrer Freunde. Früher hat sich fast ausschließlich der Staat um die Bildung gekümmert. Die Möglichkeiten, eine persönliche Beziehung zu einem anderen Menschen – gleich ob Mann oder Frau – rechtlich abzusichern und unter staatlichen Schutz zu stellen, sind ausgeweitet worden.
Man kann sagen: Die mit der Französischen Revolution begonnene Freiheitsrevolution geht in der Gegenwart immer weiter. Das Leben wird vielgestaltiger und unterschiedlicher. Jeder darf sein eigenes Glück suchen, wo und wie er will. Aber er steht damit auch immer mehr in der Verantwortung, es selbst zu tun. Das kann durchaus anstrengend sein und nicht jeder kommt damit klar. Die Folge davon ist oftmals das Gefühl der Überforderung und Vereinsamung.

Marcus Ventzke

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Darstellung

Ein Wissenschaftler über die Funktion der Familie in der Vergangenheit

„Die meisten arbeiteten in Familienunternehmen, zum Beispiel dem landwirtschaftlichen oder handwerklichen Betrieb der Familie. Oder sie arbeiteten im Familienbetrieb eines Nachbarn. Außerdem war die Familie soziales Netz, Gesundheitswesen, Versicherungsgesellschaft, Radio, Fernsehen, Zeitung, Bank und sogar Polizei in einem.“

aus: Yuval Noah Harari; Eine kurze Geschichte der Menschheit, München 312019, S. 434.

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Darstellung

Ein Wissenschaftler über die Auflösung der Familien in der Gegenwart

„In den letzten zweihundert Jahren änderte sich dies dramatisch. [...] Also locken Staat und Markt die Menschen mit einer Verheißung, der sie nicht widerstehen konnten. 'Du kannst ein freier Mensch werden', versprachen sie. 'Du kannst heiraten, wen du möchtest, ohne deine Eltern um Erlaubnis fragen zu müssen. Du kannst jede Arbeit annehmen, die dir gefällt, auch wenn es den Dorfältesten nicht passt. Du kannst leben, wo immer du willst, auch wenn du nicht jeden Sonntag zum großen Familienessen nach Hause kommen kannst. Du bist nicht länger von deiner Familie und deiner Gemeinschaft abhängig. Wir, der Staat und der Markt, kümmern uns schon um dich. Wir geben dir Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Bildung, Gesundheit, Arbeit und soziale Sicherheit.'“

aus: Yuval Noah Harari; Eine kurze Geschichte der Menschheit, München 312019, S. 438.

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Zusammenfassung

Merkmale von Demokratie

Gegen die Diktatur in Weissrussland demonstrierende Menschen (2020)
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Urheber: Andrew Keymaster @arnidan

Unsplash

PD

In Weißrussland demonstrieren seit Sommer 2020 Menschen für Demokratie, nachdem der Präsident und seine Helfer die Wahlen gefälscht hatten. Auf dem Plakat steht übersetzt: „Weissrußland. Das sind wir.“

Demokratie kommt vom griechischen Wort δημοκρατία (dēmokratía) und bedeutet die Herrschaft des Volkes, das in einem Staat lebt.
Die Macht geht also vom Volk aus und alle bestimmen mit, was in einem Staat gemacht wird. Dafür gibt es Regeln.
Folgende Merkmale kennzeichnen eine Demokratie:

  • Die Regierung wird durch Wahlen gebildet. (Wahlen sind frei und gleich.)
  • Es gibt Bürger- und Menschenrechte.
  • Die Freiheit des Einzelnen und sein Recht auf eigenständige Lebensgestaltung werden geachtet. (Die Rechte anderer müssen dabei geachtet werden.)
  • Jeder darf seine Meinung sagen.
  • Es gibt eine Gewaltenteilung (Regierung, Parlament und Gerichte sind voneinander getrennt und entscheiden eigenständig.)
  • Informationen und Meinungen können öffentlich frei verbreitet werden. (Versammlungen, Demonstrationen, freie Presse)
  • Die Mehrheit entscheidet; die Rechte der Minderheit werden geachtet.
  • Zur Findung einer Entscheidung sucht man nach einer übereinstimmenden Position (Konsens).
  • Eine Verfassung regelt grundlegende Rechte und Pflichten für alle Bürger.
  • Gerichte sind für alle gleich zugänglich. Politische Entscheidungen und Handlungen des Staates können gerichtlich überprüft und korrigiert werden.

Auf der Basis verschiedener Definitionen zusammengefasst und vereinfacht von Marcus Ventzke.

Familien in der Gegenwart

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Familienmodelle im Wandel Ehe und Familie im Grundgesetz

Ob traditionelle Kleinfamilie, unverheiratete Eltern mit Kind, ob Patchworkfamilie, alleinerziehend oder Regenbogenfamilie, viele „familiale Lebensformen“ werden mittlerweile akzeptiert. Familie – was ist das heute?

„Die dominierende Definition von Familie definiert Familie als eine Eltern-Kind-Beziehung, damit werden ein Elternteil und ein Kind bereits als Familie gesehen. Und diese Definition umfasst in der öffentlichen Debatte auch heterosexuelle und homosexuelle Paare mit Kindern.“

Die „Familie von morgen“ war das Thema einer Tagung, die vergangene Woche in Berlin stattfand. Allerdings zeichneten viele Vorträge eher ein Bild davon, wie familiäres Leben sich heute gestaltet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten. Und die Freiburger Soziologieprofessorin Nina Wehner hob vorweg hervor: die „Erosion“ des traditionellen Familienmodells habe keinesfalls zur Folge, dass die Bedeutung familialer Lebensformen abnimmt.

„Gerade mit dieser neuen Wahlfreiheit von familialen Lebensformen sehen wir eher, dass Familie an Bedeutung enorm gewinnt, vor allem als emotionale Bezugsgröße. Familie als der Sehnsuchtsort für ganz viele Menschen. Und dafür sind Männer und Frauen bereit, enorm viel Aufwand in Kauf zu nehmen.“

Das Leitbild vieler junger Paare ist heute eine egalitäre Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit. Doch die Realität sieht meistens anders aus, weiß die Bochumer Leiterin des Forschungszentrums ‚familienbewusste Personalpolitik‘, Prof. Irene Gerlach:

„Wir wissen, dass es da einen Gap gibt, viel weniger leben das. Das kann an den Rahmenbedingungen hängen, dass zum Beispiel Möglichkeiten der Vereinbarkeit über Home-Office, über flexible Arbeitszeitgestaltung nicht möglich ist, die Betreuungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder so teuer, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten.“

66 Prozent der Mütter mit Kindern arbeiten, die meisten davon in Teilzeit, oder sogar in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, während Männer in der Regel Vollzeitjobs haben. Irene Gerlachs Ideal wäre aber eine dauerhafte Aufteilung der Arbeit zu gleichen Teilen, etwa dass beide Eltern je 30 Stunden arbeiteten. Dies sei schon aus Gründen der sozialen Absicherung im Scheidungsfall erforderlich. Solange allerdings Frauen eher zum Beispiel Kultur- als Ingenieurwissenschaften studierten oder weniger aufstiegsbewusst seien, sei dies ökonomisch oft nicht machbar.

Quelle: Ingeborg Breuer, Familienmodelle im Wandel,. Vater, Mutter, Kind war gestern, in: Deutschlandfunk, 13.04.2017 (https://www.deutschlandfunk.de...), abgerufen: 1.10.2020. 

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Artikel 6

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

aus: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 6 (https://www.gesetze-im-interne...).
Familienmodelle im Wandel Ehe und Familie im Grundgesetz